| TV-Kritik: Ehrlich mit Wasser kochen
Die erste Staffel der "Harald Schmidt"-Show in der ARD ist vorbei - Zeit für eine kritische Zwischenbilanz.
Nach seiner Sondersendung Ende Dezember 2004 und 17 Show-Ausgaben in diesem Jahr hat sich Harald Schmidt in die Osterferien verabschiedet. Zwischen 1,50 und 2,36 Millionen Zuschauer sahen zu. Dass es nicht mehr 5,16 Millionen wie zum Auftakt sein würden, dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein. Die Zahlen sind nun auf Normalmaß geschrumpft, nachdem sich der Medienhype um ARD-Rückkehrer Schmidt gelegt hat. Die Größenordnung ist immer noch ordentlich, aber Schmidt sollte aufpassen, dass er nicht weiter abrutscht.
Feilen am Konzept
Konzeptionell hat Schmidt auf Kritik reagiert, die ihn besonders nach den ersten Sendungen begleitete. Schrittweise wurde nachjustiert, manches ausprobiert, beibehalten oder wieder zurückgenommen. Wenig abwechlungsreich waren die bloßen Schreibtischgespräche zwischen Schmidt und seinem Sidekick Manuel Andrack, also wurde dessen Rolle aufgewertet, was schließlich zu Lasten Schmidts und manchen Fans auf die Nerven ging. Sprecher Egon Hoegen tauchte hin und wieder auf, war zuletzt jedoch nur noch im Vorspann zu hören. Französin Nathalie kam hinzu und hatte vereinzelte, aber schöne Auftritte, etwa beim Deutschland-Besuch des US-Präsidenten Bush. Gäste sollte es nicht mehr geben, inzwischen gibt es welche, auch wenn diese einem Massenpublikum unbekannt sind. Aktionen mit den Studio-Zuschauern waren ebenfalls nicht mehr vorgesehen, zwischenzeitlich versuchte sich Schmidt wieder daran, fragte allerdings so lustlos bei einem Publikumsspiel nach, dass man dieses Show-Element seitdem lieber sein ließ.
Eigenwillige Themenauswahl
Mit seiner Themenauswahl setzte sich Schmidt häufig von der tagesaktuellen Agenda ab, mal griff er sie zumindest in seinem Eingangsmonolog auf, mal nicht. Bisweilen lag er allerdings so eigenwillig daneben, dass man - erstaunlicherweise - froh war, dass eine Stunde zuvor bei ProSieben Stefan Raab da war, der das machte, was man in ähnlicher Weise eigentlich auch von Schmidt erwartet hätte. Erinnert sei etwa an eine Schweige-Minute für Schauspielerin Uschi Glas, die wegen der umstrittenen Qualität ihrer Gesichtscrème im Blickpunkt steht. Erwähnenswert auch, wie Raab mit der gescheiterten Wiederwahl von Ministerpräsidentin Heide Simonis in Schleswig-Holstein umging: Zum einen nutzte er die Abstimmung als Running Gag, indem er die angeblichen Folgeabstimmungen zeigte, natürlich immer mit dem gleichen Ergebnis. Zum anderen machte er sich daran, herauszufinden, wer denn wohl der Abweichler gewesen war, der Simonis die Stimme versagt hatte. Raab blendete die Bilder der SPD-Abgeordneten ein, die er genüsslich kommentierte. Schmidt kommentierte zum Simonis-Thema lapidar, dass der Berliner Job-Gipfel wohl eher in Kiel stattgefunden habe. Eine subtile Anspielung, aber für das Thema des Tages zu wenig.
Mit Wasser kochen
Bisweilen scheint es, dass Schmidt sich einen Spaß daraus macht, nicht nur mit Wasser zu kochen, sondern den Leuten auch noch schamlos zu zeigen, wie es in seiner medialen Küche zugeht. Insofern ist er ein erschreckend ehrlicher Koch und Servierer. Schmidt verlässt sich dabei hauptsächlich auf sich selbst und darauf, dass man ihm nur etwas vor die Nase halten müsse. Vielleicht sollten ihm deshalb seine Mitarbeiter - wie "Chefdramaturg" Andrack oder der verantwortliche WDR-Redakteur Michael Heinz - öfter Relevantes vor die Nase halten. Dann könnte Schmidt viel mehr Beachtenswertes leisten als bislang - und keinen groben Unfug wie die vorgezogene Silvesterfeier im März.
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