| TV-Kritik: "Manuel Andrack"-Show
Einst holte ihn Harald Schmidt auf die Bühne, weil er jemanden wollte, mit dem er sich hin und wieder unterhalten konnte. Inzwischen ist Manuel Andracks Rolle in Schmidts Show größer geworden - so groß, dass Schmidt sich Sorgen machen sollte.
Stichwortgeber, Sidekick, Chefdramaturg - Redaktionsleiter Manuel Andrack hat viele Titel, seit er mit Harald Schmidt zusammenarbeitet. Keine Frage: Der studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaftler, der vor seinem Wirken für Schmidt reichlich TV-Praxis bei mehreren Redaktionen sammelte, kennt sich aus - mit Sendekonzepten, Ablaufplänen, Programmplatzierungen. Er ist ein kompetenter Mann mit guter Allgemeinbildung, dessen Aufgaben hinter der Kamera, im organisatorischen Teil einer Fernsehproduktion stattfinden. Andrack ist Manager, kein Moderator und erst recht kein Entertainer. Trotzdem - oder wie es so schön heißt: vielleicht gerade deshalb - wollte Schmidt ihn neben sich sitzen haben, als die Schmidt-Show zu Sat.1-Zeiten neuen Schwung brauchte.
Schmidt fragte Andrack
Tatächlich entwickelte sich Andracks Bühnenpräsenz zu einer Eigenart der Show, die bei Zuschauern und Kritikern gleichermaßen gut ankam und zuletzt nicht mehr wegzudenken war. Andrack, meist von Schmidt auf ein Thema angesprochen, lieferte gehaltvolles Hintergrundwissen, half weiter, wenn Schmidt sich in Dingen wie Internet oder Geographie nicht sonderlich auszukennen schien. Die beiden bauten ihr Dialog-Prozedere aus, wobei es stets spontan und unkonventionell wirkte. Die Rollenverteilung: Der freche Schmidt, Kopf der Show, fragte seinen Mitarbeiter, den netten und bisweilen bieder am Tisch sitzenden Herrn Andrack, und der antwortete. Es war nur eine Frage der Zeit, bis man auf die Idee kam, Herrn Andrack, der ja ganz gut ankam, mehr sein zu lassen. So durfte er als "Running Gag" in jeder Showausgabe neue Biersorten probieren und vorstellen, oder auch in kleinen Spielchen mitwirken, die Schmidt leitete.
Nur Andrack beim ARD-Comeback
Als Schmidt Ende 2004 sein großes Comeback in der ARD startete, tat er das mit der alten Band, aber ohne Bandleader Helmut Zerlett, ohne Kartenhalterin Suzana, zunächst ohne die Französin Nathalie, ohne prominente Gäste, ohne Gag-Autoren - nur Andrack war wieder mit von der Partie, jetzt sogar mit eigenem Schreibtisch, der diese Bezeichnung tatsächlich verdiente. Die viel diskutierte Auftaktsendung, als Jahresrückblick verpackt, machte deutlich, wohin die Reise gehen sollte: Weil fast nichts anderes blieb als Andrack und eine Videowand, beschäftigte sich Schmidt folgerichtig mit Andrack und der Videowand. Die Sendung plätscherte dahin, Schmidt und Andrack verplauderten bemüht die Sendezeit. In Erinnerung von der Sondersendung blieben hauptsächlich Schmidts Bart und langes Haupthaar - und dass wenig Abwechlunsgreiches passierte, aber viel gesprochen wurde.
Dialog als Hauptelement
In den Folgesendungen setzte Schmidt weiter auf das Hauptelement: den Dialog mit Andrack. Der brachte sich nun auch dann ins Gespräch, wenn er gar nicht gefragt war, lachte übetrieben und lautstark von der Seite, wenn Schmidt Pointen machte. Es schien, als ob Andrack allmählich merkte, wie wichtig er für das Gelingen der Show geworden war. Wenn er nicht funktionierte, blieb nur noch Schmidt, der aber die Show so spartanisch ausgerichtet hatte, dass das zu wenig war. Andrack trat selbstbewusster auf, fiel Schmidt ins Wort, kommandierte bei gespielten Gags. Schmidt ließ ihn dankbar gewähren.
Zweite Hauptrolle
Andrack berichtete über seine Nierenstein-Operation, von seinem Wanderhobby und anderen Eskapaden. Seine Nebenrolle wurde zur zweiten Hauptrolle. In den ersten beiden März-Ausgaben der Show thematisierte Schmidt das Andrack-Dilemma: Zunächst überließ er Andrack dermaßen offensichtlich das Feld, dass man sich bisweilen in der "Manuel Andrack"-Show wähnte, als dieser minutenlang auf einer Pferdemesse herumreitete oder sich zum krönenden Abschluss von Schmidt die Reitstiefel putzen ließ. Am Folgetag drehte Schmidt den Spieß um, verbannte Andrack aus dem Studio, ließ ihn draußen mit Skiern auf- und ablaufen, während er ihn mit Äpfeln bewarf und zu Fall brachte. Schmidt sprach von "Herr und Knecht"-Verhältnis, das nun wieder umgekehrt sei.
Schmidteinander-Vorbild
Mag sein, dass Schmidt sich an alten Mustern orientiert. In den 90er Jahren machte er mit Herbert Feuerstein die bemerkenswerte Satire-Sendung "Schmidteinander", erst im WDR, dann bei der ARD. Schmidt war der Herr, Feuerstein sein Knecht. Vom Prinzip her ist Chefdramaturg Andrack nichts anderes als der legitime Nachfolger von Chefautor Feuerstein, die "Harald Schmidt"-Show im Kern eine Rückbesinnung auf das Schmidteinander-Konzept. Herr Feuerstein will einen solchen Vergleich und die neue Schmidt-Show nicht kommentieren. Auf Anfrage entgegnete er lapidar, dass seine Zusammenarbeit mit Schmidt vor zehn Jahren geendet habe. Außerdem sehe er "auch selber kaum fern". Damals jedenfalls war das Rollenverhältnis zumindest auf der Bühne klar.
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